
Wir fahren um 5:45h hinaus auf den Fluss um den Sonnenaufgang zu erleben. Undenkbar, diese Zeit, um arbeiten zu gehen. Bin ich aber motiviert, etwas Schönes zu unternehmen, kein Problem. Josef paddelt uns auf dem spiegelglatten Wasser. Wenn keine Brise geht, sieht der Fluss aus wie eine glatte Fläche. Wunderschön. In den weiter entfernten Bäumen hängt der Morgennebel und es ist bereits hell durch die Dämmerung. Die Zirpen hören auch jetzt mit ihrem Konzert noch nicht auf. Die Vögel erwachen aber und stimmen ein. Zunehmend mehr Nebel zieht ringsum auf. 
Kurz vor Sonnenaufgang beginnt es schwül zu werden, die Sonne kündigt sich an. Ein weißes Band erscheint am Ufer- Horizont und schließlich taucht orange die Sonne über dem Nebel und den Bäumen auf. Welch ein Spektakel. Eine unfassbare Atmosphäre in dieser unendlichen Weite, voll mit Schönheit, Farbe und Leben. Ich erlebe meinen bisher mit Abstand beeindrucktesten Sonnenaufgang. Alleine hierfür hat sich der lange Flug schon gelohnt. Wie als Sahnehäubchen kommen die Delfine, um den neuen Tag zu zelebrieren. Ich könnte schon wieder heulen. Danke, dass ich so prädestiniert bin und dies erleben darf. Für mich lohnt es sich, den Preis zu zahlen. Auf meinem Sofa hätte ich selten diese Momente. Ich mag es, das Leben zu fühlen und im Innersten berührt zu werden, das treibt mich voran.
Langsam fangen die Sitzbeinknochen (ja, die habe auch ich unterm Po) an zu streiken. Langes Sitzen im Boot fordert seinen Tribut. Außerdem ist das Kreuz ohne Yoga und mit Hängematte etwas malträtiert.
So begeben wir uns nach dem Frühstück auf einen Junglewalk. Kleine Pfade führen uns tief in den Dschungel.
Wir haben 30 Grad und die Luftfeuchtigkeit lässt sich mit der im Tropenhaus des botanischen Gartens in Bonn vergleichen. Ziemlich anstrengend und unangenehm. Nicht überdeutlich spürbar, aber so, dass Alles durchgeschwitzt ist und bei jedem Stopp der Schweiß in Strömen fließt. Josef erklärt uns die Wirkung von Saft und Rinde einiger Bäume. So verbrennt er den Harz eines Baumes, der dann zu einer teerähnliche Masse wird. Wir riechen auch den Harz eines Baumes, der genauso wie Tigerbalm riecht und bei Erkältung hilft. Das Pfeifen des „Captains des Dschungels“, einem sehr kleinen Vogels, begleitet uns sehr laut und erinnert an das Hinterherpfeifen eines Casanovas.
Mich erinnert die Vegetation an die des Waldes in Vietnam. Große Palmblätter und riesige Lianen bestimmen das Bild.
Nach dem Mittagessen, zurück in der Lodge packen wir alle Hängematten, Moskitonetze, Essen und Trinken für unsere Nacht in Dschungel ein. Nach einer kurzen Bootsfahrt führt uns ein weiterer, zweistündiger Marsch durch einen beeindruckenden Dschungel. Hier ist alles größer und beeindruckender als morgens. Die Palmblätter sind mehr als zwei Meter groß und die Lianen sind meist genauso groß wie die riesigen Bäume. Der Weg ist lang, feucht und beschwerlich genug, um Reue zu üben. Erstens ist es gut für den, der wenig trinkt. Denn einen schlechten Daypack mit zwei Litern Wasser, Kleidung, Hängematte und Nahrungsmitteln mit zu nehmen, lässt die Träger so einschneiden, dass man ganz schnell trinken kann, plötzlich. Und dann zweitens noch diese Schokokekse vor der Reise. Multipliziert mit dem Satz: „Jetzt musst Du mal nicht mehr so streng sein, Du wirst eh auf der Reise abnehmen!“ Fehler, böser Fehler! Je mehr Masse, desto mehr Energie… weit gefehlt. Schwitzend, trinkend und Geduld übend genieße ich trotz nur Yoga zur Vorbereitung (verdammt!) die Natur.
Leider ist unser Guide, Macheten schwingend im Laufschritt über Stock und Stein unterwegs. Denn hier ist es um 18 h schlagartig stockdunkel.
Schmetterlinge von 10 cm fliegen ab und zu an uns vorbei. Außergewöhnliche Blüten die von Schmarotzerpflanzen zu Boden fallen, zeigen den Jägern im Wald ein gutes Jagdgebiet an. Denn diese werden gerne vom Wild gefressen (die Blüten, nicht die Jäger!). Wir erreichen ein kleines Tal mit glasklarem Bächlein. Eine Plane ist für die Hängematten gespannt.
Wir hängen unsere Hängematten, Moskitonetze, Taschen und Schuhe für die Nacht auf. Da unser Guide sein Feuerzeug vergessen hat, geht es mit frutaner Diät um 18h zur Strafe für alle ins Bett/ Hamock. Einige Sterne sind durch die Baumwipfel zu sehen und die Insekten singen uns in den Schlaf. Ich fühle mich sicher und habe überhaupt keine Angst. Um sechs Uhr morgens ist es hell und der Schrei des Tukans begrüßt uns alle. Da wir schon als Frutaner eingewiehen sind, gibt es Ananas, Bananen und doch ein paar Kekse zum Frühstück. Die Gruppe versteht sich hervorragend und gemeinsam wird das Lager geräumt. Josef und sein Gehilfe schnitzen uns noch aus wunderschönem Holz Löffel und Caipistößel.
Auf dem Rückweg gehen wir an zwischen Ästen hängenden, großen Spinnennetzen vorbei, die als Kinderstube für den Nachwuchs dienen. Josef schabt an einem Baum und heraus kommen 2 cm große Bullenameisen, denen man aus dem Weg gehen sollte. Ihr Biss bereitet 24 Stunden heftigste Schmerzen. Wir riechen auch an der abgeschabten, intensiv duftenden Rinde des Rosenbaumes. Josef nimmt einen geschlossenen Stängel aus der Mitte einer großen Palme, die am Boden wächst. Er schüttelt den Stab und daraus entfalten sie die Palmblätter. Er erklärt, dass daraus die traditionellen Dächer gebaut werden. Nur leider gerät diese Art in Vergessenheit, da die Regierung den Menschen moderne Mittel zum Bau zur Verfügung stellt.
Zurück in der Lodge fühle ich, dass neben Abenteuer einfacher Komfort wie auf Toilette können (im Dschungel zerstechen die Mücken dir den Po, denn der ist ohne Nobite), im Bett schlafen, duschen und Essen einfach ebenso wundervoll sind.
Zum Nachmittag fahren wir mit einem kleinen Kanu stundenlang zwischen den Bäumen umher, um Vögel zu suchen. Das Lichtspiel auf dem Wasser ist fantastisch.
Dunkle Passagen, wo nur einzelne Lichtpunkte das Wasser erreichen und größere, sonnige Flächen wechseln sich ab. Außer dem Plätschern des Ruders und einiger Vögel herrscht eine wohltuende Stille. Eine willkommene Abwechslung zur Anstrengung des Dschungels. Hier ist es nicht so schwül. Wir sehen wenige Vögel und genießen den Zauber dieser Fahrt. Hier, genauso wie im Dschungel bekommt man ein Gefühl dafür, dass man ohne Führer hoffnungslos in diesem riesigen Land verloren wäre.

Josef erzählt mir, dass er mit 18 Jahren aus Boa Vista im Norden gekommen ist, um Arbeit zu suchen. Dort ist kein Dschungel, sondern Steppe und Berge. Er arbeite als Freelancer und habe schon mal einen halben Tag zwischen den Touren frei. Ich habe natürlich nicht gefragt, was er verdient. Ich, mit 18 Jahren… was ein Unterschied.
Nachts geht es ohne Erfolg noch einmal zur Kaiman Suche hinaus und erst jetzt eröffnet sich mir dieser unglaubliche Himmel. Das Wasser ist wieder glatt wie ein Tuch, so spiegeln sich dort alle Sterne. Über uns spannt sich im großen Bogen das Firmament. Die Milchstraße bildet ein milchig leuchtendes Band zwischen den hunderten von Sternen. Ich bin mir sicher, hier sind alle Sternzeichen zu sehen. Bei uns bildet der Nachthimmel keinen Bogen so wie hier. Ich komme mir tatsächlich vor wie in einer Kuppel. Wer einmal hier einen Sonnenaufgang und diesen Nachthimmel gesehen hat, wird dies nie vergessen. Sind wir doch klein und unbedeutend und ist das Leben doch schön!
In dieser Nacht schlafe ich nicht gut, da ich überall „Plopp“ höre und ich weiß, das sind: sie! Sie, die Vogelspinnen, die sich vom Dach oder Baum fallen lassen. Und es ist laut, was heißt: sie sind groß. Und ich ohne Moskitonetz. Die fliegenden Kakerlaken und sonstigen Tiere machen mir nix aus, aber Spinnen und ich werden in diesem Leben sicherlich keine Freunde mehr. Aber ich vermute, ich werde es überleben.










21. August 2015 um 9:27
Wunderschön! Freue mich, daß Du das erleben kannst! 🙂
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